Arcangelo Corelli (1653-1713)
Concerto grosso g-Moll op. 6 Nr. 8 („Weihnachtskonzert“)
Vivace - Grave - Allegro Adagio - Allegro - Adagio Vivace Allegro - Pastorale: Largo
Nur ein schmales Werk hat Corelli, der Komponist mit dem schönen Vornamen, geschaffen: Opus 1 bis 5 sind zu seinen Lebzeiten gedruckt worden, Opus 6 wurde ein Jahr nach seinem Tode veröffentlicht. Opus 1 bis 4 umfasst 48 Triosonaten, Opus 5 zwölf Violinsonaten, Opus 6 zwölf Concerti grossi. Alle Werke sind ausschließlich für Streichinstrumente geschrieben. Und er hat großen Einfluss gehabt, auf Vivaldi (1678-1741), Telemann (1681-1767), Bach (1685-1750), Händel (1685-1759) und vielen anderen, vor allem mit den Concerti grossi. Hier war er das klassische Vorbild. Der verhältnismäßig geringe Umfang seines Oeuvres erklärt sich durch ständiges Überarbeiten, wodurch Corellis Werk den höchsten Grad der Vollendung erreichte. Das eindrucksvollste der ‚Concerti grossi‘ ist das achte mit seinem wundervollen ‚Pastorale‘, durch das vor allem der von Corelli als Titel gewählte Name ‚Weihnachtskonzert‘ (Fatto per la notte di Natale) sich erklärt. Nur wenige Musikstücke stehen so sehr für ‚Weihnachten‘ wie dieses Pastorale.
Bezeichnend für das ‚Concerto grosso‘ ist das Konzertieren zwischen Concertino (einer kleinen Solistengruppe, hier bestehend aus zwei Solo-Violinen und Basso continuo = Cembalo und Cello) und ‚Grosso‘ (dem gesamten Orchester einschließlich des ‚Concertinos‘ = Tutti). Das Besondere Corellis: bei ihm ist der Wechsel zwischen Tutti und Concertino sehr ausgewogen und recht kleingliedrig.
Mit zwölf Forteschlägen wird der Erste Satz eröffnet, im Tutti gespielt wie das folgende ergreifende ‚Grave‘: dreizehn Takte von ungemein farbiger Harmonik und durch chromatische Wendungen von belastendem Ernst. Mit dem frischen ‚Allegro‘ nun beginnt der Wechsel von Concertino und Tutti: Das Concertino setzt als erstes ein und einen Takt später folgt das Tutti, ebenfalls nur einen Takt lang. Nach einer Wiederholung dieses Wechsels spielt das Concertino zwei Takte lang allein, später auch drei. Im Ganzen ist das ‚Allegro‘ in zwei Teile gegliedert, die jeweils wiederholt werden. Gemeinsam ist beiden Teilen das durchgehende Eilen der Achtel im Cello. Im Zweiten Satz umrahmen ein ‚Adagio‘ von melancholischer Sanftheit und seine durch eine Coda erweiterte Wiederholung ein kurzes dramatisches ‚Allegro‘ von bestechender Einfachheit. Tänzerische Anmut und heitere Besinnlichkeit charakterisieren den Dritten Satz.
Das letzte Allegro ist ähnlich aufgebaut wie das erste - zwei Teile, die jeweils wiederholt werden und motivisch eng verknüpft sind. Der zweite Teil erfreut zusätzlich in seiner Mitte mit Achtelbewegungen, die einen harmonischen Spannungsbogen erzeugen. Insgesamt klingt dieses Allegro leichter und luftiger als das erste, durchsichtiger auch beim Wechsel von Concertino und Grosso. Nun schließt das ‚Pastorale‘ an.
Eines der schönsten Gedichte der Welt-Literatur ist die Vierte Ekloge Vergils. Sie kündet von der Geburt eines göttlichen Kindes, das die Welt erlösen wird - ein heidnisches Advent-Gedicht. Und es beginnt mit dem Anruf der Musen Siziliens: Sicelides Musae. Sizilien war neben Arkadien in der Antike der Ort der Hirtenpoesie, die das schlichte, friedliche Leben der Bauern und Hirten als eine Art Idylle schildert. Als eine Art Idyll sind auch die Hirten an der Krippe verstanden worden. Darum gehört zu einem Weihnachtskonzert das ‚Pastorale‘, das Hirtenlied im wiegenden Siciliano-Rhythmus des 12/8-Takts. Für Corelli gehörte es so sehr zu Weihnachten, dass er es bei einer Aufführung des Concerto Grosso außerhalb der Weihnachtszeit nicht gespielt haben wollte. November 2019
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