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Wertende Erörterung
Kurzgeschichte
Verssprache
Poetik (für Klasse 8)
für Literaturwissenschaft
für Musikwissenschaft

Die wertende Erörterung
‘wertend’ bedeutet, daß in der Erörterung eine Entscheidung über einen Sachverhalt gefällt, ein Urteil über ihn abgegeben wird. Ein Urteil über einen Sachverhalt wird dann nötig, wenn der Sachverhalt zunächst strittig ist, wenn es also über ihn widerstreitende Meinungen gibt.
Der klarste Widerstreit von Meinungen entsteht, wenn der eine für etwas, der andere dagegen ist. Daraus ergibt sich die Gliederung der Erörterung in ‘Pro’ und ‘Contra’.
Da es nicht sinnvoll ist, bei der Aufzählung von Pro und Contra stehenzubleiben, wertet man in einem dritten Teil der Erörterung das Dafür und das Dagegen aus und kommt aufgrund der Auswertung zu einer Entscheidung.
Nur in diesem Sinne ist ‘werten’ zu verstehen. Es wird also nicht gewertet im Sinne von gut oder böse, richtig oder falsch, denn man muß erwarten, daß a l l e Argumente, sowohl die, die für etwas, als auch die, die dagegen sprechen, richtig sind im Sinne von sachlich, vernünftig oder auch richtig im Sinne von ethisch gut. Nicht in diesem Sinne wertet man, sondern man macht eine Auswertung, d.h. man wägt die Vor- und Nachteile gegeneinander ab und kommt aufgrund dieses Abwägens zu einer Entscheidung.
Diese Entscheidung ist persönlich, insofern es ein Einzelner ist, der für sich und andere die Vor- und Nachteile überdenkt und nach ausreichendem Abwägen zu einer Entscheidung kommt, hinter der er als Persönlichkeit steht.
Sie ist objektiv und darum von allgemeiner Gültigkeit, insofern man sachlich argumentiert und die Entscheidung nicht nach Belieben, sondern aufgrund wesentlicher Argumente getroffen hat.

Über die beiden Arten der Entscheidung
1. es gibt Probleme, bei denen man aufgrund seiner Überzeugungen eindeutig Stellung bezieht; die Themafrage wird also mit einem eindeutigen ‘ja’ oder ‘nein’ beantwortet. Die Frage, ob das Anzünden eines Kaufhauses ein geeignetes Mittel sei , um auf das Mißverhältnis zwischen übermäßigem Konsum hier und krasser Armut dort hinzuweisen, werden die meisten unter keinen Umständen mit ‘ja’ beantworten. Die Contra-Argumente werden für sie das Übergewicht haben; mögliche Vorteile einer solchen Aktion wird man darstellen; aber beim Auswerten wird man darauf hinweisen, daß man auf sie verzichten will bzw. daß man das Positive solcher Aktionen auf andere Weise erreichen soll.
2. Andere Probleme sind nicht mit einem klaren Ja oder Nein zu lösen. Hier wird man die Lösung von bestimmten Voraussetzungen (Entscheidungskriterien) abhängig machen. Es heißt hier nicht: unter keinen Umständen ‘ja’ bzw. ‘nein’, sondern: Unter bestimmen Umständen ‘ja’, unter anderen Umständen ‘nein’.
Die Themafrage z. B., ob Jugendliche ihr Elternhaus verlassen sollen, kann nicht eindeutig beantwortet werden; bestimmte Umstände (Reife des Jugendlichen, Situation des Elternhauses u.a.) müssen berücksichtigt werden.

Grundsätzlich gilt: Da a l l e Argumente, die vorgebracht werden, also sowohl die der Pro- als auch die der Contr-Seite, sachlich und vernünftig sein müssen, können z. B. die Contr-Argumente, wenn man sich für ‚Pro‘ entscheidet, nicht einfach übergangen werden. In unserem Fall müssen bei der Auswertung die Contra-Argumente entkräftet werden
Beispiel: Auf das Argument beim Thema ‚Teamarbeit‘, dass zu viel Unruhe herrscht, muss in jedem Fall bei einer Pro-Entscheidung eingegangen werden, entweder mit dem Hinweis, dass man die Unruhe in Kauf nimmt oder mit einem sinnvollen Lösungsvorschlag (der Schüler mit dem meisten Durchsetzungsvermögen soll zum Team-Leiter gewählt werden).

Aufbau
Die Erörterung gliedert sich nach dem oben Gesagten in
A. Einleitung und
B. Hauptteil.
Die Einleitung hat die Aufgabe,
1. den Anlaß/Grund zu nennen, warum man sich mit dem Thema beschäftigt; hierbei können allgemeine oder persönliche Erfahrungen angegeben werden (z.B. „Zur Zeit bereiten wir eine Klassenfahrt vor, dabei stellt sich mir die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist ...“);

2. die Fragestellung präzise zu formulieren und, wenn notwendig, den Sachverhalt zu definieren.
Der Hauptteil besteht aus drei Abschnitten, die mit römischen Zahlen durchgezählt werden sollen:
I. Pro (Contra) - Argumente
II. Contra (Pro) - Argumente
III. Auswertung/Abwägen - Entscheiden
Bei der Ausführung dieses dritten Teils wird man von den Vor- und Nachteilen die wesentlichsten Punkte verkürzt wiederholen, vor allem wird man die akzentuieren, auf die sich die Entscheidung am meisten stützt.

Die Untergliederung dieser Abschnitte geschieht in der Gliederung mit arabischen Zahlen. Will man eine solche Untergliederung noch einmal untergliedern, so wählt man Kleinbuchstaben; also
I.
°°1.
°°°°a)

°°°°b)
°°2. usw.
Man muß darauf achten, daß man nicht einem Hauptpunkt (er erscheint als Oberbegriff in der Gliederung, wenn man sie in Stichworten formuliert) nur einen Unterpunkt (als Stichwort in der Gliederung: Unterbegriff) zuordnet, daß man also nicht lediglich I.1. oder 1.a schreibt, denn der Oberbegriff ist eine Zusammenfassung mehrere Unterbegriffe; Zusammenfassung eines Unterbegriffs ist nicht denkbar.
Für die mit Kleinbuchstaben aufgeführten Unterpunkte gilt, daß man entweder keine schreibt oder aber so vollständig wie möglich untergliedert.
Thema ‘Klassenfahrt’, Hauptpunkt unter Pro: ‘Studienzwecke’; dieser Punkt kann nicht lediglich untergliedert werden mit °°°°°°a) Natur
°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°b) Museum, da Wesentliches fehlt z. B. ‘Stadtbild’ oder ‘Einübung in die Fremdsprache’

Der Aufbau der Erörterung muß das Prinzip der Steigerung berücksichtigen; was dem Verfasser am wichtigsten ist, soll beim Leser/Hörer am besten haften bleiben. Dies geschieht u. a. auch dadurch, daß man das Wichtigste ans Ende setzt. Zudem bekommt die Darstellung einen Spannungsbogen, der das Lesen/Hören erleichtert. Beim Thema ‘Kaufhaus-Anzünden’ z.B. werden bei dem, der sich eindeutig gegen das Anzünden wendet, die Nachteile einer solchen Aktion im Hauptteil an zweiter Stelle stehen.
Oder: Wer sich bei der Fragestellung, ob man Klassenfahrten machen soll, für solche Fahrten entscheidet, setzt sinnvoller Weise die Punkte, die dafür sprechen, hinter die Punkte, die dagegen sprechen.
Beim Aufbau ist auch zu berücksichtigen, daß die Argumente, die enger zueinandergehören, auch hintereinanderstehen. Thema ‘Klassenfahrt’

I. Pro
1. Klassenfahrten fördern die Gemeinschaft der Klasse.
2. Auf Klassenfahrten erweitert der Schüler seinen kulturellen Horizont.
3. Verhältnis der Klasse zum Lehrer verbessert sich.
1. und 3. gehören enger zusammen als 1. und 2. bzw. 2. und 3.; solche Gemeinsamkeiten muß man bei der Reihenfolge der Argumente berücksichtigen, was auch die Formulierung der Überleitungen erleichtert.

Formulierung bei der Gliederung
Wünschenswert sind nach Möglichkeit syntaktisch gleichartige Formulierungen.
Also nicht (beim Thema 'Klassenfahrt'):
1. Förderung der Klassengemeinschaft
2. Um selbständiger zu werden
statt dessen: 2. Förderung der Selbständigkeit.

Argument und Beispiel
Die Erörterung besteht im wesentlichen aus Argumenten und den dazu passenden Beispielen.
Im Normalfall setzt man das Beispiel hinter das Argument; denkbar ist aber auch die umgekehrte Reihenfolge, nämlich dann, wenn es notwendig wird, den Aufsatz durch Abwechslung im Aufbau ein wenig lebendiger zu gestalten, oder wenn das Argument aus dem Beispiel erwächst. Wichtig ist,
a) daß man Argument und Beispiel deutlich unterscheidet
Argument: es ist gedanklich-abstrakt und hat allgemeine Bedeutung;
Beispiel: in ihm wird ein Einzelfall herausgenommen, der das für viele Einzelfälle gültige Argument veranschaulichend erläutert.);
b) daß die Argumente nicht aufgrund einer zu ausführlichen Ausmalung einzelner Beispiele zu knapp
geraten;
c) daß der Einzelfall, der im Beispiel aufgezeigt wird, so gewählt sein muß, daß er repräsentativ ist.
So darf man bei der Themenfrage, ob eine verheiratete Frau berufstätig sein soll, bei dem Argument
‘Überforderung’ nicht als Beispiel einen Fall einer schon seit Jahren kranken Frau mit sechs Kinder nehmen. Ein solcher Extremfall könnte, verallgemeinert, die Argumentation in eine falsche Richtung drängen.

Ausführung
Überleitungen
Entscheidend dafür, daß der Leser sicher durch den Aufsatz geführt wird, ist die Überleitung von einem Argument zum anderen. Die Lektüre eines Aufsatzes wird sehr erleichtert, wenn die Argumente nicht unverbunden nebeneinandergestellt werden, sondern miteinander verknüpft sind, so daß der Leser erkennen kann, in welcher Beziehung ein Argument zum vorhergehenden und zum Gesamtproblem steht. Eine solche Beziehung kann durch einfache Adverbien (z.B. 'darum', 'dennoch') hergestellt werden oder auch durch ganze Sätze, die den Schluß der vorhergehenden Argumentation aufgreifen und mit dem, was man nun schreiben will, und mit der Gesamtproblematik in Verbindung bringen.
In den Überleitungen kann man u.a. auch die Steigerung der Erörterung deutlich machen “Ein erstes, wenn auch weniger bedeutsames Argument ...Wesentlicher ist schon ...Das Entscheidende aber ist ...“
Diese Überleitung steht zu Beginn eines neuen Arguments nach dem Absatz, der zwei Argumente sichtbar voneinander trennt.

ausgewogene Formulierungen
Vermeide - auch schon in der Gliederung - absolute Formulierungen, da du sonst nicht zu einer Lösung kommen kannst, die die Nachteile, die in dieser Formulierung dargestellt sind, in Kauf nimmt.
Beispiel: Gegen Teamarbeit, weil man andere für sich arbeiten läßt;
Es muß vorsichtiger formuliert werden: Gefahr, daß man andere für sich arbeiten läßt.
Hinzu kommt noch, daß das 'Für-sich-arbeiten-lassen' dem Gedanken der Teamarbeit widerspricht, so daß dieser Punkt eigentlich gar nicht zum Thema paßt.

Fehler (zusätzlich zu den bisher notierten)
Absolutheitsanspruch eines Arguments (Entscheidung ist eindeutig festgelegt)
Wiederholung des Pro-Arguments mit umgekehrten Vorzeichen bei Contra
Beispiel: Vorteil: Verantwortungsbewußtsein wird gefördert°°°°°°°°°°Nachteil: Es wird nicht gefördert
Themenstellung nicht (präzise) ausformuliert
Thema nicht genügend berücksichtigt
Gliederung (oft) unlogisch
nicht immer gleichartige Formulierungen
manche Argumente unpassend
Wichtige Argumente fehlen
Überleitungen fehlen
Überleitungen zu simpel
bei III: kein eigentliches Abwägen
Abwägen kommt zu kurz
Nur Wiederholung der Pro- und Contra-Argumente



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